Ausschnitt aus einem Musikstück des 14. Jahrhunderts in schwarzer Mensuralnotation
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Noten

Auf dieser Seite sollen Noten von Musik aus Mittelalter und Renaissance zugänglich gemacht werden, und zwar in Form von Grafik-Dateien, die - anders als Dateien von Notensatzprogrammen - von allen Internet-Nutzern eingesehen werden können.

Um die Ladezeiten der Dateien erträglich zu halten, wurde die Größe der Bilddateien verringert. Da sie ja trotzdem noch lesbar sein sollen, sind sie allerdings immer noch vergleichsweise groß. Ich hoffe, trotzdem einen für alle Nutzer brauchbaren Kompromiss gefunden zu haben.

Terribilis est locus iste

Dies ist ein Introitus, also ein Eingangsgesang der Messe, für die Kirchweihe. In sehr ähnlichen Fassungen findet sich das Stück wohl in ganz Europa in mittelalterlichen Mess-Handschriften und etwa auch im Graduale triplex. Die hier angegebene Fassung der Melodie steht im sogenannten Göttinger St.-Johannis-Missale, das heute im Göttinger Stadtarchiv aufbewahrt wird. Es entstand vermutlich kurz vor dem Jahr 1400, darauf weist zumindest die Abschrift einer Urkunde auf einer der ersten Seiten der Handschrift hin. In diesem Missale befinden sich sowohl die Texte - vor allem Gebete und Lesungen - als auch alle Gesänge für die verschiedenen Messen des Kirchenjahres. Die Melodien dieser Gesänge sind in der sogenannten Hufnagel-Notation aufgezeichnet, einer Notation, die sich in Deutschland aus den Neumen entwickelte.

Ein Introitus gehört zum sogenannten Proprium eines Sonntags, also zu den Gesängen, die jeweils speziell zu einer bestimmten Messe gehören, auf dessen "Thema" sie durch ihren Text verweisen. Sie sind Antiphonen, das heißt, zunächst wird die hier angegebene Melodie gesungen, danach ein Psalmvers, eventuell auch das "Gloria patri", danach wird die Melodie wiederholt.

Die Übertragung erfolgte nach einer Kopie des Mikrofilmes.

Übertragung (Größe: 108K)

Codex Calixtinus: Kyrie-Tropus "Rex immense pater pie"

Der Codex Calixtinus entstand im 12. Jahrhundert. Er besteht aus fünf Teilen, die die Texte und Melodien für Messe und Stundengebete zum Fest des heiligen Jacobus, einen Pilgerführer für Fahrten nach Santiago de Compostela, eine Vita und Wundererzählungen des heiligen Jacobus sowie eine lateinische Erzählung von den Taten Karls des Großen enthalten. Nach der eigentlichen Fertigstellung dieses Buches sind noch eine Reihe mehrstimmiger Kompositionen nachgetragen worden, von denen viele Stücke Bearbeitungen einstimmiger Melodien aus dem ersten Teil des Buches sind. Zu ihnen gehört auch der hier abgebildete Kyrie-Tropus "Rex immense pater pie".

Ein Tropus ist eine Erweiterung einer vorhandenen, meist liturgischen Melodie durch die Einfügung neuen Textes. In diesem Fall wurden die Wörter "Kyrie" und "Christe" ersetzt durch Umschreibungen der angeredeten Personen, und zwar in jeder der insgesamt neun Anrufungen durch eine andere. Nach jeder dieser so erweiterten Anrufungen soll, darauf weist die einstimmige Fassung dieses Tropus im Codex Calixtinus hin, das "normale" Kyrie eleison bzw. Christe eleison noch einmal wiederholt werden.

Die Darstellung von Rhythmen ist noch nicht so normiert, wie es in der Modalnotation wenige Jahrzehnte später der Fall sein wird. Bei einem Stück wie dem vorliegenden, bei dem zumindest in der Unterstimme pro Silbe nur etwa eine Note erklingt, wird erst ab ca. 1300 eine rhythmisch genaue Notierung möglich sein. Für die Übertragung habe ich den Modus gewählt, jede Note der Unterstimme (mit einer Ausnahme) gleich lang zu übertragen, und den Rhythmus der Oberstimme in einen Dreier-Takt einzupassen, wie er sich bei Stücken in Modalnotation ganz zwangsläufig ergibt.

Die Übertragung erfolgte anhand der Ausgabe von Peter Wagner: Die Gesänge der Jakobusliturgie zu Santiago de Compostela aus dem sog. Codex Calixtinus. Freiburg (Schweiz) 1931. In dieser Ausgabe sind die auf Linien notierten Neumen der Handschrift in ihre Äquivalente in der Quadratnotation "übersetzt" worden, ohne daß damit ein Rhythmus festgelegt würde.

Übertragung (Größe: 241K)

Oswald von Wolkenstein: Mein herz das ist versert

"Mein herz das ist versert" ist eine der Kontrafakturen von Oswald von Wolkenstein. Die Vorlage des Stückes ist eine dreistimmige Komposition von Francesco Landini, "Questa fanciull'amor", in dem der Sänger davon spricht, daß Gott Amor ihn verwundet hat, als er eine schöne Frau erblickte. Auch im Lied Oswalds bezeichnet sich der Sänger als verwundet, und zwar durch eine Frau, jedoch ist die Stimmung grimmiger, weniger bukolisch als bei Francesco Landini. Die Fassung Oswalds ist - im Gegensatz zur italienischen - nur zweistimmig, sie enthält nur die Gerüststimmen Discant und Tenor.

Die Übertragung erfolgte anhand des Faksimiles.

Übertragung, S. 1 (Größe: 322K)
Übertragung, S. 2 (Größe: 134)

Anonym: Al vol

Das "Glogauer Liederbuch" entstand ca. 1480 in der Stadt Glogau, enthält zum größten Teil lateinischsprachige geistliche mehrstimmige Stücke, daneben aber auch eine Reihe deutschsprachiger Stücke mit weltlichen Texten sowie untextierte Stücke, die mit Titeln wie "Der pfawen swancz" oder "Der ratten schwantcz" meist als Tänze gedeutet werden, inzwischen aber zum Teil als textlose Versionen französischer Chansons identifiziert wurden. Es besteht aus drei Stimmbüchern (Discant, Tenor, Contratenor), die bis 1945 in Berlin waren und inzwischen in Krakau, Biblioteka Jagiellonska, Mus. 40098 zu finden sind. Gezählt wird nicht nach Folii, sondern unterteilt in die Lagen (A-M), dann folgend die Zahlen (kleine röm. Ziffern) des Folio innerhalb der Lage.

Alle Stücke des Glogauer Liederbuches sind mittlerweile ediert, die deutschen Stücke schon 1936, und es gibt eine Faksimile-Ausgabe:
Krakow, Biblioteka Jagiellonska, Glogauer Liederbuch (Renaissance Music in Facsimile. Sources Central to the Music of the Late Fifteenth and Sixteenth Centuries 6). New York, London 1986.
Meine Übertragung erfolgte anhand des Faksimiles.

Das Stück "Al vol" ist im Discantstimmbuch die Nr. 181 und steht auf fol. Hxii. Im Tenorstimmbuch steht es auf fol. Hxi, im Contratenorstimmbuch auf fol. Ii. Ein Komponist ist nirgendwo angegeben.

Text:
Discant: Text vollständig den Noten unterlegt, wenn auch nicht sehr sorgfältig ("Al vol al vol al vol alvol al vol al vol Bistu vol zo lege dich nijder stand off frü und folle dich wyder das gantze jar den abend und den morgen").
Tenor: Text teilweise den Noten unterlegt, wenn auch nicht sehr sorgfältig ("Al fol alfol alfol alfo alfoll Bistu vol zo lege dich nijder").
Contratenor: Text teilweise den Noten unterlegt, wenn auch nicht sehr sorgfältig ("Al fol alle foll al fol all fol alfol al fol Bistu vol zo lege dich nijder").
Keine weiteren Strophen.

Abbildungen:
Ausschnitt aus dem Faksimile: Discant (Größe: 36K)
Ausschnitt aus dem Faksimile: Tenor (Größe: 22K)
Ausschnitt aus dem Faksimile: Contratenor (Größe: 25K)
Übertragung, S. 1 (Größe: 253K)
Übertragung, S. 2 (Größe: 265K)
Midi-Datei (Größe: 2K)

© Oktober 2005 Karen Thöle