Hinweise für Musiker
Mittelalterliche Musik ist ein Stiefkind der Musikausbildung in Deutschland. An kaum einer Musikschule gibt es Lehrer dafür, und an kaum einer Hochschule kann man sie studieren. Wenn Lehrer und Dozenten sie im Unterricht behandeln, dann meist nicht so, daß sie darauf Lust machen, diese Musik nun selbst zu spielen.
Und dennoch:
- Für Messe oder Gottesdienst suchen Kirchenmusiker mittelalterliche Musik. Gregorianik wird von vielen Gemeindemitgliedern als entspannend und meditativ wahrgenommen. Sie ist zudem gemeinsames Erbe beider Konfessionen.
- Für Historische Aufführungspraxis mittelalterlicher Musik interessieren sich Laien und Profis. Die einen wollen gerngehörte Stücke nachspielen, die anderen selber auftreten. Sie wollen wissen, wie die Musik damals wirklich geklungen hat.
- Für Crossover-Projekte suchen Rock- und Folk-Bands und andere mittelalterliche Musik. Die mittelalterlichen Melodien, Instrumente oder Improvisationsformen fügen der eigenen Musik die gewünschte Archaik oder Exotik hinzu.
- Lehrer suchen einen Zugang zu mittelalterlicher Musik für den eigenen Unterricht - sei es, daß sie sie für Projekttage verwenden wollen, sei es, daß ein Instrumentalschüler ein historisches Instrument lernen will.
Unverzichtbares Werkzeug für jeden, der sich für die mittelalterliche Musik interessiert, und besonders für jeden, der die kirchliche Musik sucht, ist das Graduale triplex. Die Notation in diesem Buch läßt sich mit einer Anleitung zur Neumennotation auf meiner Seite lesen. Für weiterführendes Interesse empfehle ich Kurse, die der Gregorianik-Verband AISCGre anbietet.
Je nachdem, wie wichtig jemandem die Beschäftigung mit der mittelalterlichen Musik ist, gibt es darüberhinaus verschiedene Möglichkeiten:
- Für professionelle und semiprofessionelle Musiker gibt es eine Fortbildung zur Musik des Mittelalters auf Burg Fürsteneck.
- "Die" Studienadresse für Musiker mit Liebe zum Mittelalter ist die Schola Cantorum Basiliensis in Basel.
- Wer einfach nur sein Repertoire mit mittelalterlichen Stücken erweitern will, der sollte möglichst viel Zeit in musikwissenschaftlichen Bibliotheken verbringen. Hier gibt es nicht nur Ausgaben der überlieferten mittelalterlichen Kompositionen, sondern auch Bücher und Zeitschriften, in denen Texte zur mittelalterlichen Aufführungspraxis stehen.
Wichtig ist dabei immer die Neugier auf Klänge, die nicht unserer eigenen Vorstellung entstammen, sondern die uns in Kontakt bringen mit dem, was Menschen vor vielen Hundert Jahren schön fanden.
© 14. Februar 2006/10. November 2009 Karen Thöle