Dieser englische Begriff läßt sich auf zweierlei Weise übersetzen:
einerseits als "lebendige Geschichte",
andererseits als "Geschichte (er-)leben".
Für die einen ist es eine Art museumspädagogisches Konzept, Besuchern Geschichte "zum Anfassen" zu präsentieren: Museumsdörfer, die mit Leben erfüllt sind, rekonstrierte Kleidung, die auch getragen wird, und Repliken von archäologischen Funden, die man benutzen kann.
Für die anderen ist es eine Möglichkeit, Geschichte am eigenen Leib zu erleben: Wie es sich anfühlt, die gleiche Kleidung wie damals zu tragen, wieviel Sorgfalt damals die Pflege von Waffen oder Küchengeräten erforderte, wie leicht oder wie schwer die Anfertigung verschiedener Gegenstände war.
In den meisten Fällen begegnen sich diese zwei Möglichkeiten. Wer auf einer Veranstaltung seine nach historischen Vorbildern gefertigte Kleidung und Ausstattung testen will, trifft dort den Besucher, der aus erster Hand erfahren kann, wie z.B. der im Kugeltopf gekochte Eintopf schmeckt. Ein Beispiel für eine gelungene Living-history-Veranstaltung in diesem Sinne war die Veranstaltung vom 15.-18.7.2005 in Düppel.
Die meisten sind Leute aus allen Berufssparten, die das Mittelalter als Hobby betreiben, ganz normal ihrem Beruf nachgehen und in ihrer Freizeit recherchieren, basteln und auf Veranstaltungen fahren. Die Auswirkungen auf den Alltag sind dabei normalerweise geringer, als Außenstehende oft denken. Zwar sammelt sich im Laufe der Zeit eine Menge Fachliteratur und Ausstattung an. Aber ob man letztere in einer Vitrine im Wohnzimmer oder in Kisten auf dem Dachboden aufbewahrt, ist letztlich Geschmackssache.
Mittlerweile gibt es aber auch schon einige Leute, die ihr Hobby zum Beruf gemacht haben. Sie verdienen vor allem als Händler oder Handwerker Geld, indem sie die Szene mit den benötigten Repliken oder Rohstoffen beliefern (siehe auch Handwerker).
Wichtig ist Treue zum Detail. Wer auf die richtigen Materialien und die richtige Verarbeitung achtet, wird erleben, wie sie sich anfühlen und riechen, wird herausfinden, ob sie lange halten oder schnell verschleißen, und ob sie spezielle Pflege benötigen. Das Ziel sollte sein, auf eine Veranstaltung nur mitzunehmen, was auch in die dargestellte Zeit paßt. Wer dagegen Dinge verwendet, die er vor Publikum verstecken muß, oder die ihn immer an faule Notlösungen erinnern, wird Geschichte nicht wirklich erleben können (siehe auch ...mit allen Sinnen).
Living history ist ein Hobby, das sowohl Zeit als auch Geld beansprucht. Um beides nicht unnötig zu vergeuden, ist es sinnvoll, sich Zeit zu lassen beim Einstieg:
Meine Meinung dazu ist: Ja, aber immer nur Augenblicke.
Wir können zwar versuchen, den modernen Alltag zu vergessen. Ganz verdrängen können wir aber nicht, daß wir am Montag zu unseren zentralbeheizten Wohnungen und Arbeitsstätten mit ihrer Technik des 21. Jahrhunderts zurückkehren. Wir können auch heute nicht mehr nachvollziehen, welche existenziellen Ängste eine etwa Mißernte oder verdorbene Essensvorräte ausgelöst haben müssen. Selbst wenn wir es schaffen könnten, uns alles Wissen anzueignen, das ein mittelalterlicher Mensch gehabt haben könnte - wir können und wollen nicht unser modernes Wissen einfach vergessen.
Für Augenblicke können wir aber in diese andere Welt eintauchen. Immer, wenn uns eine Tätigkeit so in Anspruch nimmt, daß wir alles andere vergessen. Wenn wir uns voll auf eine handwerkliche Arbeit, die so auch schon im Mittelalter gemacht wurde, konzentrieren, können wir sicher sein, daß unser mittelalterliches Vorbild das genauso gemacht hat. Oder wenn wir voller Hingabe musizieren, und uns Sprache, Instrument, Melodik und Satztechnik wirklich vertraut gemacht haben. Für diese Augenblicke lohnt sich der ganze Aufwand.
Erleben Sie es selbst!
© 3. März Karen Thöle