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Rezension Februar 2006

  • Die Bücher
  • Einleitung
  • Aktualität
  • Umfang:
    - Menge des Textes
    - Menge der Abbildungen
    - Zahl der untersuchten Objekte
  • Schwerpunkte
  • Benutzbarkeit
  • Resümmee: Welches Buch für wen?
  • Axel Lungershausen:
    Buntmetallfunde und Handwerksrelikte des Mittelalters und der frühen Neuzeit aus archäologischen Untersuchungen in Braunschweig
    Reihe: Materialhefte zur Ur- und Frühgeschichte Niedersachsens Bd. 34
    Rahden/Westf. 2004
    ISBN: 3-89646-967-3

    Stefan Krabath:
    Die hoch- und spätmittelalterlichen Buntmetallfunde nördlich der Alpen. Eine archäologisch-kunsthistorische Untersuchung zu ihrer Herstellungstechnik, funktionalen und zeitlichen Bestimmung, 2 Bände
    Bd. 1: Text
    Bd. 2: Katalog und Tafeln
    Reihe: Internationale Archäologie Bd. 63
    Rahden/Westf. 2001
    ISBN: 3-89646-335-7

    Stefan Krabath:
    Die mittelalterlichen Buntmetallfunde aus Höxter und Corvey. Untersuchungen zu ihrer Herstellung und Funktion sowie der regionalen und chronologischen Verbreitung in Europa, 4 Bände
    Bd. 1: Text
    Bd. 2.1: Dokumentation (Karten und Literatur)
    Bd. 2.2: Dokumentation (Kataloge)
    Bd. 3: Tafeln
    Göttingen 1999

    Einleitung

    Gleich drei Werke zu besprechen habe ich mir für diesen Monat vorgenommen. Ursprünglich wollte ich eine Rezension über die Bearbeitungen der Braunschweiger Buntmetallfunde von Lungershausen schreiben. Dieses Buch erinnerte mich in Aufbau und Inhalt so stark an die Bücher von Krabath, daß es mir sinnvoll erschien, diese Bücher zu vergleichen. Verkompliziert wurde die Sache dadurch, daß Krabaths Bearbeitung der Buntmetallfunde aus Höxter und Corvey in zwei Versionen vorliegt - einmal der wohl ursprünglich für die Bewertung als Dissertation im Selbstverlag gedruckten Fassung, andererseits als Teil einer Reihe in einer Hardcover-Ausgabe.

    Vorweg ein Hinweis: Die Bearbeitungen von Lungershausen und Krabath stützen sich auf unterschiedliches Fundmaterial. Der Wert der einen Darstellung wird in keiner Weise dadurch gemindert, daß eine andere Darstellung andere Funde der gleichen Materialgruppe präsentiert. Die Veröffentlichung von möglichst vielen Fundkomplexen der Mittelalterarchäologie ist für den, der sich mit dem Mittelalter beschäftigt, ein dankenswertes Unterfangen. Ein Vergleich dieser Bände kann aber helfen zu entscheiden, welches Buch man mühsam per Fernleihe bestellen oder für viel Geld selber kaufen will, wenn das Mittelalter "nur" Hobby ist.

    Ach ja, was ist eigentlich Buntmetall?

    Der Begriff bezeichnet eine Reihe von Metallen bzw. deren Legierungen, die dadurch von Gegenständen aus Eisen abgegrenzt werden. Lungershausen schließt zusätzlich noch die Edelmetalle Gold und Silber aus, die Krabath jedoch behandelt. Typische Buntmetalle wären jedoch eher Kupfer, Zinn, meist auch mit Bleianteil, sowie Bronze und Messing.

    Aktualität

    Bei den untersuchten Texten handelt es sich um Dissertationen. Krabath vollendete seine Promotionsschrift unter dem Titel "Die mittelalterlichen Buntmetallfunde aus Höxter und Corvey" im Jahr 1999 und präsentierte sie im Jahr 2001 in leicht überarbeiteter Fassung unter dem Titel "Die hoch- und spätmittelalterlichen Buntmetallfunde nördlich der Alpen" einer breiteren Öffentlichkeit. Demgegenüber wirkt auf den ersten Blick Lungershausens Werk aktueller, kam es doch im Jahr 2004 heraus. Doch die Promotionsschrift, auf die es zurückgeht, entstand schon im Jahr 1998 (als Tag der abschließenden mündlichen Prüfung ist der 6.1.1999 angegeben).

    Lungershausen scheint diese lange Zeit nicht zu einer Überarbeitung des Textes genutzt zu haben. Dies zeigt deutlich der Vermerk "Arbeitsstand Jahresmitte 1998" am Ende des Textteils und "Aufnahmeschluß: Jahresende 1997" am Ende des Literaturverzeichnisses.

    Beim Vergleich der beiden Textfassungen von Krabath gibt es dagegen Anzeichen, daß das Werk vor der Drucklegung noch einmal, wenn auch minimal, überarbeitet wurde. Und im Literaturverzeichnis der neueren Fassung finden sich vereinzelt auch Titel der Jahre 1999 und sogar 2000. So ist diese Arbeit von Krabath, obwohl vom Erscheinungsdatum her das ältere Buch, dennoch aktueller als das von Lungershausen.

    Umfang:

    - Menge des Textes

    Vom Optischen her scheint die Sache klar zu sein. Vier Bände im Din-A-4-Format umfaßt Krabaths "Die mittelalterlichen Buntmetallfunde aus Höxter und Corvey", nur noch zwei Krabaths "Die hoch- und spätmittelalterlichen Buntmetallfunde nördlich der Alpen", und nur einen Lungershausens "Buntmetallfunde und Handwerksrelikte des Mittelalters und der frühen Neuzeit aus archäologischen Untersuchungen in Braunschweig". So müßte man erwarten, daß die Umarbeitung von Krabaths Dissertation zum verlegten Werk nur unter massiven Kürzungen vonstatten gegangen sein kann.

    Das ist aber - zumindest beim Textteil - nicht der Fall. Die gedruckte Fassung verwendet ein anderes Seitenlayout, das tatsächlich ungefähr die doppelte Menge an Text auf eine Seite bekommt. Ein stichprobenartiger Vergleich der beiden Fassungen zeigt, daß Krabath wohl wirklich nur an ganz wenigen Stellen gekürzt haben kann. Dies wird jedoch dadurch wieder ausgeglichen, daß er an einigen wenigen Stellen den Text auch erweitert hat, nämlich etwa um Verweise auf Literatur, die in der Vorgängerfassung noch nicht zitiert wurde. So kommt es, daß die ältere Fassung 589 und die neuere 339 Seiten im Textteil enthält.

    Obwohl Teil einer anderen Reihe, ist das Buch von Lungershausen im gleichen Verlag wie Krabaths neuere Fassung erschienen. Der Textteil hat daher das gleiche platzsparende Layout und kann daher bequem mit Krabaths Textteil verglichen werden. Der Textteil bei Lungershausen hat nur 191 Seiten und ist damit um etwa ein Drittel kürzer als der von Krabath.

    - Menge der Abbildungen

    Ein deutlicher Unterschied im Umfang zeigt sich dann jedoch im Abbildungsteil. Krabaths älteres Werk hat die stolze Zahl von 518 Tafeln, davon allerdings nur 47 mit den für archäologische Publikationen so typischen Zeichnungen, die anderen sind Schwarzweiß-Fotographien. Auf den Seiten mit den Fotos sind jeweils 2 Bilder auf einer Tafel, auf den Zeichnungen mehr.

    Krabaths neueres Werk hat demgegenüber nur 160 Tafeln im Anhang, 49 davon sind Zeichnungen, die anderen Schwarzweiß-Fotographien. Allerdings sind hier die Fotos teilweise auch so angeordnet, daß mehr als zwei Bilder auf eine Seite passen. Im neueren Buch wirken die Abbildungen detailschärfer. Möglicherweise liegt dies an einer besseren Reproduktion, möglicherweise daran, daß beim neueren Buch die Fundstücke ohne ihren Untergrund abgebildet werden.

    Das Buch von Lungerhausen hat nur 52 Tafeln, davon sind aber 45 Tafeln mit Zeichnungen.

    Wieviel Abbildungen zusätzlich noch im Textteil stecken, kann nur schwer verglichen werden, da teilweise auch Diagramme und sogar Tabellen als Abbildungen mitgezählt werden. Aber wie es scheint, hat Krabath auch hier mehr Abbildungen als Lungershausen.

    - Zahl der untersuchten Objekte

    Der Fundkatalog der alten Fassung von Krabath erbringt fast 1170 Fundstücke, für die neue Fassung sogar noch fünf Fundstücke mehr. Dabei sind längst nicht alle dargestellten Funde qualitätsvolle Einzelstücke. Ein großer Teil der Katalognummern fällt auf Produktionsabfälle und noch nicht weiterverarbeitete Dinge wie Draht, Bleche oder Barren. Die größte Zahl an Funden in einer Kategorie findet sich übrigens bei den Stecknadeln mit insgesamt 320 Funden.

    Lungershausen bearbeitet eine wesentlich geringere Zahl an Buntmetallfunden, nämlich nur 321. Dies liegt zumindest zum Teil daran, daß er ganz bewußt auf bestimmte Kategorien verzichtet, so etwa auf Drähte und Bleche, aber auch auf die bei Krabath so zahlreichen Nadeln. Dafür hat er jedoch in stärkerem Maße als Krabath auch die nicht selber aus Buntmetall bestehenden Werkzeuge zur Metallbearbeitung berücksichtigt, so daß zu diesen 321 Buntmetall-Stücken noch 510 Keramiktiegel bzw. Tiegelfragmente und 170 sog. Handwerksrelikte kommen. Insgesamt ist damit die Zahl der bearbeiteten Funde nur unwesentlich unter der von Krabath.

    Schwerpunkte

    Der Titel der neueren Fassung verrät es: Krabath interessiert sich für einen überregionalen Zugang zu seinen Fundstücken. Dies zeigt sich am Vergleich mit anderen europäischen Funden gleicher Art im Textteil, zahlreichen Verbreitungskarten und nicht zuletzt an einer 3699 Punkte umfassenden Liste mit Vergleichsfunden im Anhang. Diese existiert auch in der alten Fassung, ist dort sicherlich ebenso umfangreich, aber schwerer zu verstehen. Dieser gesamteuropäische Zuschnitt war dort zwar noch nicht im Titel zu lesen, aber doch schon Teil der Konzeption.

    Andererseits kann man nicht sagen, daß Lungershausen die Vergleichsfunde gleichgültig sind. Auch er vergleicht seine Funde mit Funden etwa aus Skandinavien oder England, und einige Verbreitungskarten finden sich auch bei ihm.

    Auch die Herstellungstechniken der Buntmetallverarbeitung werden von beiden Autoren erläutert. Während Lungershausen, anders als Krabath, im Textteil nur selten auf die Herstellung der einzelnen Funde eingeht, hat er bei der Betrachtung der Werkzeuge sowie in einem separaten Teil doch genauere Angaben zur Herstellung.

    Und so läßt sich zusammenfassend sagen, daß die besprochenen Werke wohl in etwa den gleichen Schwerpunkt haben. Die einzigen Unterschiede ergeben sich einerseits durch die Herkunft, andererseits durch die Auswahl der untersuchten Stücke: Während Krabath mehr Rohmaterialien sowie den ganzen Komplex der Nadeln präsentiert, findet sich bei Lungershausen mehr über die Werkzeuge der Metallverarbeitung.

    Benutzbarkeit

    Trotz ihrer unhandlichen Größe sind beide Fassungen Krabaths noch einigermaßen gut zu benutzen. Der Katalog wiederholt die Kapitelaufteilung des Textteiles. Eine ähnliche Trennung nach Fundkategorien ist im Abbildungsteil zwar angedeutet, aber leider nicht durchgeführt. In der älteren Fassung stehen allein die Katalognummern unter den Abbildungen, was bei manchen Stücken eine Identifizierung schwer macht. In der neueren Fassung wird wird dies dadurch erleichtert, daß zusätzlich auch der Name der Kategorie in der Bildunterschrift steht.

    Für den Nutzer, der gezielt nach Abbildungen etwa von Gürtelschnallen oder Nadeln einer ganz bestimmten Zeit fahndet, ist es am zweckmäßigsten, vom Katalog auszugehen, von dem aus auf die jeweiligen Tafeln verwiesen wird. Bei vielen Funden waren recht genaue Datierungen möglich, in vielen Fällen aber auch nicht, etwa, wenn eine hochmittelalterliche Schicht durch eine jüngere Baugrube gestört war. So kommen dann Datierungen zustande wie "M. 12. Jh. oder Anfang 17. Jh.". Hier wäre gerade für den Laien hilfreich gewesen, wenn Krabath nach stilistischen Kriterien eine genauere Datierung vorgeschlagen hätte.

    Bei Lungershausen ist alles in einem Band. Da bei der etwas geringeren Zahl an Buntmetallgegenständen eine Besprechung auch der einzelnen Funde im Textteil möglich ist, ist es sinnvoll, hiermit anzufangen. Da aber auch hier die Anordnung der Abbildungen nicht der Anordnung im Textteil folgt, muß man mit der im Text genanten Katalognummer erst den Katalog aufschlagen, in dem man erfährt, auf welcher Tafel sich die Abbildung befindet. Der Katalog ist nicht nach Fundkategorien, sondern nach Ausgrabungsorten sortiert. Das mag für diejenigen nützlich sein, die sich für Braunschweiger Stadtgeschichte interessieren. Für denjenigen, der gezielt nach ganz bestimmten Accessoires sucht, ist es dagegen eher hinderlich. Zudem ist der Katalog stark komprimiert und deshalb deutlich kryptischer als der von Krabath. Zumindest die Datierung ist immerhin gut auffindbar - auch wenn auch hier z.T. sehr lange Datierungszeiträume vorkommen, bei denen eine Datierung nach stilistischen Kriterien hilfreich gewesen wäre.

    Resümmee: Welches Buch für wen?

    Wer sich nur allgemein informieren möchte, welche Gegenstände in Norddeutschland aus Buntmetall gefertigt wurden und wie ungefähr sie in den verschiedenen Zeiten aussahen, wird in beiden Büchern Antworten finden können (mit Ausnahme der "Gebrauchsnadeln", die Lungerhausen ausspart). Auch ihre Nutzung wird in beiden Bücher beschrieben.

    Dennoch eignet sich das Buch von Lungerhausen - im Vergleich mit der Publikation von Krabath - eher für denjenigen, der sich explizit für Funde aus Braunschweig interessiert, sowie für denjenigen, der selber Buntmetallgegenstände herstellt und auch seine Werkstatt so genau wie möglich nach historischem Vorbild einrichten möchte. Für diese werden die zahlreichen Tiegel- und Handwerksreste interessant sein.

    Für alle anderen würde ich eher das Buch von Krabath empfehlen. In vielen Punkten ist es einfach übersichtlicher als das von Lungershausen, und es bietet mehr Text und mehr Abbildungen.

    Die neue oder die alte Fassung?

    In den meisten Fällen dürfte das egal sein. Die Unterschiede zumindest im Textteil sind minimal, und das behandelte Fundmaterial ist im Wesentlichen das Gleiche. Die neue Fassung hat vor allem bei den Bildunterschriften im Abbildungsteil ihre Vorteile. Wer aber die neue Fassung gelesen hat und feststellt, daß er manche Gegenstände doch gerne aus verschiedenen Richtungen sehen würde, sollte versuchen, über Fernleihe Bd. 3, den Abbildungsteil der älteren Fassung zu bekommen. 518 Tafeln sind so leicht nicht zu überbieten.

    © 1. Februar 2006 Karen Thöle